Fachwerkhäuser haben einen ganz besonderen Charakter. Die Fachwerk-Balken sind zumeist im Inneren sichtbar, ob an Decken oder an Wänden. Deckenbalken können knarzen, wenn auf Ihnen gegangen wird und diese Geräusche werden auch von den Personen unten gehört. Für den einen mag es störend sein, für andere strahlt es Gemütlichkeit und Lebendigkeit aus. Sichtbare Deckenholzbalken strahlen durch ihre Wuchtigkeit Kraft und Stärke, aber auch Wärme aus.

Sichtbare Balken in den Wänden, manchmal sogar mit noch herausragenden Holznägeln an den Verbindungsstellen der Balken, wirken rustikal und idyllisch. Oft wurde in den Gefachen, das ist der Raum zwischen den Balken, Lehm verwendet, was für ein gesundes Raumklima sorgt, da Lehm überschüssige Raumfeuchte aufnimmt und diese bei trockener Luft wieder abgibt. Manche Landhausbesitzer, so damals auch meine Eltern, haben das ein oder andere Gefach von Innenwänden herausgenommen, wodurch allein die Balken noch als Raumteiler fungieren. Die betroffenen Räume wirken größer, luftiger und heller. An den Balken werden dann manchmal Hängematten gehängt oder die Balken dienen als Abstellflächen für Dekorationen.

Balken ohne Gefache als Raumtrenner

Fachwerkhäuser können vielseitig genutzt werden. Der vordere Bereich hatte oft eine Scheune und ein großes Eingangstor, damit die Kutschen einfahren konnten, um dort Materialien (Heu, Getreide, etc.) abladen zu können. Die Decke ist in dem Bereich daher deutlich höher als in den anderen Hausbereichen. In den zumeist hinteren Bereichen waren Ställe für Schweine, Kühe oder Hühner untergebracht. Manchmal befand sich, wie in meinem Fachwerkhaus, im Dachboden ein Taubenbeschlag. Menschen und Tiere wohnten also dicht beieinander. Im Dachboden wurde Heu oder Getreide gelagert. Über Seilzüge wurde es nach oben gezogen. Entweder gab es eine solche Vorrichtung in der Scheune oder – wie bei mir – seitlich des Hauses am (dritten) Giebel, der eine Öffnung hatte, die mittels von Klappläden geschlossen werden konnte, über welche das Material in den oberen Speicher gebracht wurde.

Der Giebel für das Heu ist rechts ersichtlich

Mit der Industrialisierung und dem damit verbundenen Rückgang der Landwirtschaft in Deutschland, wurden die Fachwerkhäuser immer mehr in Wohnhäuser umfunktioniert und die vielseitige Nutzung schwand. Die Fachwerkkonstruktion, die dafür nicht konzipiert war, aber blieb. Aus der Scheune im vorderen Bereich wurde, wie beim Landhaus Heiligendorf, ein Wohnzimmer mit einer (zu) hohen Decke, aus dem Speicher für das Getreide und Heu im Obergeschoss eine Wohnung mit (zu) niedrigen Decken und aus den Ställen hinten wurden ebenfalls Wohnungen mit (etwas) unpassenden Raumquerschnitten. Das zeigt den Korrekturbedarf, mit den sich Landhausbesitzer – im Falle eines Umbaus zum Wohnraum – konfrontiert sahen bzw. immer noch sehen. In meinem Fall sind die Decken von mindestes einer Wohnung im Obergeschoss für normalgewachsene Europäer zu niedrig und müssen höher gelegt werden. In einem Beitrag dieses Blogs wird auch das höher legen der Decke behandelt.